2009 – Verlängertes Wohnzimmer

„Habe nun – ach…“ – ein aktuelles Theater

habenunach

Die Schauspieltruppe „theaterlos“ hat in einem kleinen Off-Theater mit etwa 55 Plätzen ein sehenswertes Spiel auf die Beine gestellt: Ben Kreher verschränkt in einer gewagten Montage Teile von Goethes in Versen gehaltenem „Urfaust“ mit Edward Bonds „Gerettet“ sowie einer Szene des chinesischen Märchens vom Kreidekreis.
Die kirchlich geprägten Moralvorstellungen des 18.Jahrhunderts lassen zu, dass Menschen mit unehelichem Kind an den Pranger gestellt werden. Gretchen ist nicht nur die Mörderin ihres Kindes, sondern auch Opfer dieser Moral, Opfer der Anfeindungen durch ihre Mitmenschen.
Bond – Beobachter der Szene in London-Essex um 1950 – beschreibt den Mord an einem Kind durch eine Gang Jugendlicher unterschiedlichster sozialer Herkunft. Keiner verhindert die Tat, auch die Öffentlichkeit schreitet nicht ein. Täter und Betroffene leben weiter, ohne Möglichkeiten zu erkennen, an sich selbst und ihrer Situation etwas zu ändern.
Das Thema Kindsmord wird zwischen den sich gegenüber sitzenden Zuschauern, die sich in einen Birkenhain versetzt sehen, hautnah und zugleich durch die Arbeitslicht-Umbaupausen distanziert erlebt. Die jungen Akteure entwickeln eine Dynamik, die Bilder hervorruft, die noch lange nachwirken.“

Ein Stück der freien Theatergruppe „theaterlos“, nach Motiven von J.W. Goethe und E. Bond, Regie: Ben Kreher, Bühnenbild: Dietrich Riemann, Theater „Verlängertes Wohnzimmer“, Berlin, 2009